Augmentierte Mensch-Computer-Schnittstellen zur altersgerechten Gestaltung der alltäglichen Lebensumgebung älterer Menschen
Teilvorhaben „Szenario- und Akzeptanzanalyse“ Ruhr-Universität Bochum (RUB), Informations- und Technikmanagement (IMTM) am Institut für Arbeitswissenschaft, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum Prof. Dr.-Ing. Thomas Herrmann, thomas.herrmann@rub.de, 0234 32 27720 | |
Teilvorhaben „Technische Implementierung“ FZI Forschungszentrum Informatik(Koordinator) Haid-und-Neu-Str. 10-14, 76131 Karlsruhe Dr. Asarnusch Rashid, rashid@fzi.de, 0721 9654 562 |
Ziele und Konzept Des Projektes
Thema des Projekts/ Problembeschreibung und Ziel des Projekts
Im Zuge des technischen Fortschritts haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Entwicklungen im Bereich der erweiterten Realität bzw. des Augmented Reality (AR) ergeben. Unter AR versteht man die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese Information kann alle menschlichen Sinnesmodalitäten ansprechen. Unter erweiterter Realität wird hierbei allem die visuelle Darstellung von Informationen verstanden, also die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung. Für die Mensch-Computer-Interaktionssysteme wurden bislang vor allem Bildschirme oder mobile Geräte zur Bedienung eingesetzt. Neuerdings hat sich durch die zunehmende Miniaturisierung der Technologien auch die Möglichkeit zur Integration von AR in Brillen ergeben, wie z.B. bei den „Glasses“ von Google oder beim „iStar“ von Fraunhofer IOSB. Im Sinne des demografischen Wandels kann diese Form der Mensch-Technik-Interaktion dazu beitragen, ein intuitives und im Alltag integriertes Mensch-Technik-Benutzerschnittstelle zu bieten und damit älteren Menschen den Zugang zu digitalen Medien zu erleichtern. Bislang existieren allerdings keine systematischen Untersuchungen zu möglichen Einsatzpotentialen von AR Technologien für ältere Menschen. Bisherige Einsatzmöglichkeiten adressieren eher ein junges Zielpublikum. Als Einsatzfelder wurden erste Lösungen u.a. für die Bereiche Vertrieb, Tourismus, Unterhaltung, Wartung, entwickelt. Untersuchungen zu Einsatzpotentiale, Benutzerakzeptanz, Erfolgsfaktoren und Best-Practices von AR-Technologien bei älteren Menschen wurden bisher nicht durchgeführt. Ziel des Projektes ist es
- Möglichkeiten und Grenzen von AR-Technologien im Allgemeinen und von AR-Brillen im Speziellen zur Unterstützung älterer Menschen in ihrem Alltag aufzuzeigen,
- hierfür Leitlinien zur Entwicklung von AR-Technologien bereitzustellen, und
- somit eine Grundlage für den zukünftigen Einsatz von AR-Technologien zu schaffen und eine wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen in Form von AR-Produkten für eine möglichst breite Zielgruppe bei den älteren Menschen zu fördern.
- Begleitend sollen auch Bedenken und Risiken dieser Technologien (z.B. Möglichkeit zur unauffälligen Videoaufnahme, Überwachung, zunehmende Durchdringung der Technik, Überforderung/ Datenüberflutung) adressiert.
Um diese Ziele zu erreichen, beabsichtigt das Projekt Augmented Living im engen Dialog mit Technologieherstellern und Forschern sowie der Zielgruppe der älteren Menschen
- bisherige Ansätze zu analysieren und die bisherigen Anwendungen auf ihre Eignung für ältere Menschen zu untersuchen, darauf aufbauend
- den Bedarf älterer Menschen an Anwendungen für AR-Lösungen zu erheben,
- die Anforderungen älterer Menschen an AR-Hardware- und Softwaresysteme zu erfassen,
- vorhandene Bedenken und Risiken zu identifizieren und Handlungsempfehlungen für einen geeigneten Umgang mit AR-Brillen herauszuarbeiten, und schließlich zusammenfassend
- Leitlinien und Erfolgsfaktoren für die Entwicklung von AR-Lösungen für ältere Menschen zu entwickeln.
Folgende Szenarien sollen dabei verstärkt in den Fokus der Untersuchungen genommen werden:
Szenario | Beschreibung des Szenarios |
Kommunikation | Per AR-Brille werden die Benutzer Bilder und Videos erstellen und auch Videotelefonate führen. Ihnen werden eingetroffene Emails sowie Neuigkeiten und Nachrichten aus sozialen Netzwerken vorgelesen. Per Diktat werden sie auch selbst darauf antworten können. Bewusst wird auch getestet, wie zwei Benutzer von AR-Brillen miteinander kommunizieren. Alternativ könnte ein dritter visueller Kanal auf der AR-Brille angezeigt werden, über den dann die beteiligten diskutieren oder darauf z.B. per Gesten zeigen könnten. |
Wohnraumplanung | Für die altersgerechte Anpassung ihrer Wohnung erhalten die älteren Menschen von der AR-Brille Unterstützung bei der Planung. Die AR-Brille visualisiert die vorhandenen Möglichkeiten zur Wohnraumanpassung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Wohnumgebung. Zudem sollen auch Funktionalitäten und Installationsmöglichkeiten von ergänzenden altersgerechten Assistenzsystemen einbezogen werden. |
Komfort | Der Benutzer kann mittels AR-Brille elektronische Systeme wie Fernseher, Herd, Heizungssteuerung, Türklingel, etc. bedienen. Die Visualisierung über die AR-Brille soll die Bedienung vereinfachen und ihm konkrete Unterstützung anbieten, wenn eine Überforderung bzw. Fehlbedienung offensichtlich wird. Dabei soll auch Rücksicht auf besondere Einschränkungen (z.B. Rot-Grün-Blindheit, Schwerhörigkeit) genommen und Möglichkeiten zur Kompensation angeboten werden. |
Sicherheit | Beim Verlassen der Wohnung wird auf mögliche Gefahrensituationen wie z.B. offene Fenster oder Haustür, in Betrieb befindliche Elektrogeräte (u.a. Herd, Ofen) hingewiesen. Unterwegs werden Warnhinweise (z.B. beim Autofahren bei Einfahrt in eine Einbahnstraße, Unwetterhinweise, Baustellen) eingeblendet. |
Notfallmanagement | Nutzer können per „Code-Wort“ eine bestimmte Notfallsituation auslösen, wodurch entsprechende Hilfskräfte kontaktiert und alarmiert werden. |
Nachrichten | Nutzer können digitale Notizen („Post-It“) in der Wohnung anbringen, um sie als Gedächtnisstützen zu nutzen. |
Mobilität | Ältere Menschen werden unterwegs mit einer auf der AR-Brille visualisierten Navigation unterstützt, um eine Adresse zu Fuß, per ÖPNV oder Auto zu finden. Der Benutzer wird Fahrpläne von ÖPNV abrufen können und ein geeignetes Fahrticket kaufen können. |
Tabelle 1: Übersicht über ausgewählte Anwendungen der AR-Brille
Mit den im Projekt entwickelten Ergebnissen werden fundierte Grundlagen zur Entwicklung von AR-basierten Anwendungen als innovative und bedarfsgerechte Mensch-Technik-Interaktionsschnittstelle für ältere Menschen entwickelt. Entwickler von technischen Systemen erhalten mit den Projektergebnissen Gestaltungsempfehlungen und können ihre Systeme mithilfe von AR-Brillen besser auf die Bedürfnisse der älteren Menschen anpassen. Die bisherigen klassischen Benutzerschnittstellen am Bildschirm oder auf mobilen Geräten werden m eine neue Form der Interaktion erweitert. Diese Ergebnisse werden zudem auch Rückschlüsse auf andere Zielgruppen (z.B. Menschen mit chronischen Erkrankungen oder mit physischen bzw. kognitiven Einschränkungen) erlauben. FZI und RUB können aufgrund ihrer Kontakte aus Projekten wie service4homeS4H, Inspire, EasyCare und ProWAAL auf eine große Anzahl von potentiellen Zielgruppen für das Projekt zurückgreifen. Beide Organisationen haben über ihre Labore bereits in ihrer Region große Bekanntheit gewonnen und konnten ein großes Netzwerk aufbauen, bei denen auch ältere Menschen entweder auf eigener privater Initiative oder über zentrale Strukturen wie Seniorenvertretungen, Pflegestützpunkte oder Pflegedienste involviert sind.
Technisches Konzept
Für die Untersuchungen sind technische Entwicklungen durchzuführen, um Funktionsmuster für die Labor- (Usability Labor, Living Lab) und Feldstudien bereitstellen zu können:
- Anwendungsentwicklung für AR-Brillen:
Für die Implementierungsarbeiten werden auf bereits auf dem Markt erhältliche AR Brillen (z.B. von SMI, Fraunhofer, Google oder Microsoft) zurückgegriffen und mit der vorgegebenen Entwicklungsumgebung die angedachten Anwendungen umgesetzt.
- Unterstützung durch Apps auf mobilen Endgeräten:
Für die Konfiguration und Verwaltung der AR-Brille und ihre Anwendungen wird zudem eine App für Tablets/ Smartphones bereitgestellt. Über die App ist auch eine zur AR-Brille ergänzende Bedienung möglich und soll fehlende Komponenten der AR-Brille kompensieren (z.B. GPS-Ortung, Mobilfunk, höhere Speicher- und Rechnerkapazität, Datenmanagement). Dies ist vor allem für die
- Ergänzende Bediengeräte:
Bei der Entwicklung werden unterschiedliche Möglichkeiten zur Bedienung von AR-Brillen getestet und evaluiert. Die einfachste Form ist es, Bedienknöpfe an der AR Brille zu platzieren. Weitere Varianten sind u.a. Sprachsteuerung (Per Sprache Befehle sprechen), Augensteuerung (mit den Augen bestimmte Bereiche fokussieren), Gestensteuerung (mit Händen eingeblendete Tastenfelder bedienen), App/ SmartWatches (mit mobilen Geräten bzw. der programmierbarer Uhr).
Kontakt :
Michael Ksoll 0234/32-24432 E-Mail Dr. Michael Prilla 0234 32-27735 E-Mail Prof. Dr.-Ing. Thomas Herrmann